An dieser Stelle werde ich nun in regelmäßigen Abständen Artikel zu unterschiedliche
Themen in dem Bereich der angewandten Sportpsychologie veröffentlichen.

Abstiegsangst – Wie Angst die Leistung beeinträchtigt

Hier mein neuster Beitrag für „Die-Sportpsychologen.de“

http://www.die-sportpsychologen.de/2015/05/21/thorsten-loch-abstiegskampf-wie-angst-leistung-beeintraechtigt/

Am kommenden Samstag endet die Bundesligasaison. Im Fokus steht dabei allen voran der Abstiegskampf – noch nie waren so viele Vereine wie in diesem Jahr vor dem letzten Spieltag akut abstiegsbedroht. Zwischen Platz 13 und 18 ist nahezu alles noch möglich. Die betroffenen Spieler der Vereine aus dem unteren Tabellendrittel stehen vor einer der größten Herausforderungen ihrer Karriere. Ebenso die Trainer, denen die Aufgabe zukommt, die unweigerliche Angst ihrer Akteure auf einleistungsförderndes Level zu bringen.

Zum Thema: Angst, Selbstkontrolle und Emotionsregulation

Den meisten Sportlern ist diese Situation bekannt: Man befindet sich mitten in einem wichtigen sportlichen Wettkampf und plötzlich überkommt einen ein Gefühl von Angst. Die einfachsten motorischen Bewegungen, welche sonst im Schlaf beherrscht werden, möchten einfach nicht mehr gelingen. Die Folge davon ist, dass man sein „peak performance“ nicht abrufen kann und versagt. Neueste Studien liefern Hinweise darauf, dass man dem negativen Einfluss von Angst im Sportkontext entgegenwirken kann, wenn man über ausreichend Selbstkontrollkraft verfügt.

Was ist Angst überhaupt?

Ärger und Angst sind zwei wichtige Basisemotionen, die im sportlichen Kontext eine große Rolle spielen. Ebenso wie beim Umgang mit Stress sollten Sportler diese Emotionen erkennen und regulieren können. Aufgrund der hohen subjektiven Wertigkeit des Wettkampfes empfinden Sportler in solchen Drucksituationen häufig Angst, welche wiederum die Aufmerksamkeitsfähigkeit der Sportler beeinträchtigen kann. So führt dieser Zustand der stark emotionaler Erregung dazu, dass eine eigentlich gut beherrschte sportliche Bewegung nicht erfolgreich ausgeführt wird. So kann Angst bzw. Stress im Wettkampf zu einer Leistungsminderung führen. Unsere Kognitionen werden blockiert, sprich die Fähigkeit sich zu konzentrieren, wichtige (kritische) Situationen im Wettkampf zu analysieren und zielgerichtet zu handeln (Alfermann/Stoll, 2005). Im Fußball und vielen weiteren Sportarten ist für ein erfolgreiches Abschneiden jedoch selektive Aufmerksamkeit erforderlich (Vickers, 1996). Das bedeutet, dass für den motorischen Ablauf irrelevante Reize (z.B. die Zuschauer oder Konsequenzen des Spielausgangs) ausgeblendet werden müssen und der Aufmerksamkeitsfokus stattdessen auf den relevanten Zielreizen liegen muss (z.B. Torerfolg, -verhinderung).

Wie Angst im Sport entsteht

Angst im Sport entsteht nach dem Stressmodell von Lazarus (mod. nach Eberspächer, 2007) aus der kognitiven Bewertung der Situation. Hierbei schätzen die Sportler den Sachverhalt, z.B. eine Wettkampfsituation zunächst als „bedrohlich“ ein. Hinzu kommt, dass die eigenen Ressourcen, die hierfür zur Verfügung stehen, als „nicht ausreichend“ angesehen werden. Das Ergebnis ist ein Absinken der Selbstwirksamkeitserwartung und damit einhergehen eine verringerte Leistung. Bandura (1977) definiert Selbstwirksamkeitserwartung als Einschätzung der eigenen Fähigkeit/Fertigkeiten, Handlungen so zu organisieren und auszuführen, dass angestrebte Ziele erreicht werden können.

Ähnlich wie beim Stress enthält Angst eine externe (äußere Bedingungen) und eine interne Komponente (Einschätzung der eigenen Bewältigungsressourcen). Da die Wettkampfsituation nur schwer zu beeinflussen ist, ist es vor allem die interne Komponente, die Trainer nutzen müssen, um ihren Sportlern bei der Angstregulation zu unterstützen. Lob und positive Ansprache fördern das (Selbst-)Vertrauen und tragen dazu bei, „bedrohliche“ Situationen zu bewältigen.

Kraftspeichermodell der Selbstkontrolle

Um zu erklären, warum Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht einfach von bedrohlichen Reizen weg und hin zu relevanten Reizen steuern können, kann das Kraftspeichermodell der Selbstkontrolle von vor Baumeister, Vohs und Tice (2007) zu Rate gezogen werden. Selbstkontrolle wird definiert als Fähigkeit, automatische Handlungstendenzen, Emotionen oder auch Aufmerksamkeitsprozesse zu unterbinden und stattdessen alternative Prozesse einzuleiten. Dies lässt sich am folgenden Beispiel genauer erläutern: Ein Spieler erhält von seinem Trainer die Anweisung, nach Ballverlust in der Offensive nicht an dem Fehler hängen zu bleiben, sondern schnellstmöglich in ein Gegenpressing umzuschalten. Da der Spieler jedoch die Tendenz dazu hat, stehen zu bleiben, muss dieser Selbstkontrolle aufbringen, um sich an die Vorgaben des Trainers zu halten. Die Praxis zeigt, dass die Sportler häufig die Vorgaben nicht umsetzen können (oder wollen). In diesem Fall scheitert die Selbstkontrolle. Das liegt laut Baumeister et al. unter anderem daran, dass sämtliche Selbstkontrollhandlungen auf einer begrenzten Ressource basieren – einem metaphorischen Kraftspeicher. Der Kraftspeicher liefert sozusagen den Treibstoff für Selbstkontrollhandlungen jeglicher  Art. Jedoch kann sich die Kapazität des Kraftspeichers vorübergehend erschöpfen. Nach vorangegangenen Selbstkontrollhandlungen ist unter Umständen vorerst nicht mehr ausreichend Kapazität für weitere Selbstkontrollhandlungen im Kraftspeicher verfügbar, was in der Folge zu schlechterer Selbstkontrollleistung führt. Diesen Zustand der Erschöpfung des Kraftspeichers bezeichnet man auch als Ego Depletion.

Selektive Aufmerksamkeit  

Ebenfalls vom Kraftspeicher abhängig ist die selektive Aufmerksamkeit, da man für sie Selbstkontrolle ausüben muss: Man muss dem Impuls entgegensteuern, ablenkenden irrelevanten Reizen Beachtung zu schenken. Oaten und Cheng (2006) konnten dies in ihrer Studie verdeutlichen: Die Teilnehmenden sollten drei zuvor festgelegte Quadrate aus einer Gruppe identischer Quadrate, die sich in zufälligen Mustern auf dem Computerbildschirm bewegten, mit den Augen nachverfolgen und am Ende jedes Durchgangs mit der Maus anklicken. Gleichzeitig lief ein Eddy Murphy-Video als Ablenkung. Wie erwartet konnten die Teilnehmenden die drei Quadrate seltener wiederfinden, wenn ihr Kraftspeicher zuvor durch eine Selbstkontrollaufgabe, die mit der Aufmerksamkeitsaufgabe nichts zu tun hatte, erschöpft worden war. Im Zustand von Ego Depletion konnten sie ihre Aufmerksamkeit vermutlich weniger erfolgreich von dem Video fernhalten und wurden deshalb bei der Aufgabenbearbeitung beeinträchtigt.

Fazit

Stress, Ärger, Angst – die Palette der Emotionen, mit denen Sportler in Wettkampfsituationen zu kämpfen haben, ist breit gefächert und kann damit die Leistungsfähigkeit spürbar beeinträchtigen. Die Trainer der abstiegsbedrohten Vereine sind gut darin beraten, bei der Regulation negativer Emotionen zu helfen. Dazu gehört, die optimale Spannung zu finden, Stress abzubauen und Angst oder Ärger in die richtigen Bahnen zu lenken. Stress und Angst erhöhen die Leistung, wobei ein zu hohes oder zu niedriges Level zu Leistungseinbußen führen kann. Wir dürfen gespannt sein, welcher Trainer die richtigen Worte findet, um seinen Spielern das nötige Selbstvertrauen zu geben, um den bitteren Gang in das Unterhaus doch noch abwenden zu können.

 

Literatur:

Alfermann, D./Stoll, O. (2005).

Baumeister, R. F., Vohs, K. D. & Tice, D. M. (2007). The strength model of self-control. Current Directions in Psychological Science, 16, 351-355.

Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84, 191-215.

Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler. München: Copress.

Oaten, M./Cheng, K. (2006). Improved self-control: The benefits of a regular program of academic study. Basic and Applied Social Psychology, 28, 1-16.

Vickers, J. N. (1996). Visual control when aiming at a far target. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 22, 342−354.

 

Optimeriung der Wettkampfleistung III

Die psychologische Perspektive: Stress – das Resultat personeninterner Bewertungsprozesse

Nachdem im vorherigen Blogeintrag die körperlichen Stressreaktionen kurz beschrieben wurden, drängt sich die Frage auf, was denn eigentlich eine derartige Stressreaktion auf physiologischer Ebene auslösen kann. Allgemein ist zunächst zu unterscheiden zwischen Belastung und Beanspruchung. Der Begriff der Belastung kommt eigentlich aus der Physik und meint einen ganz bestimmten Druck, der auf ein bestimmtes Material ausgeübt wird. Insofern liegt hier auch der Begriff, „sich unter Druck“ zu fühlen, ganz nahe. Abgegrenzt wird der Begriff der Belastung vom Begriff der Beanspruchung. Beanspruchung ist das jeweilige Erleben dieser Belastung.

Das bedeutet: Eine Belastung ist interindividuell gleich groß, wird allerdings von unterschiedlichen Menschen ganz anders erlebt: Sie erleben sich unter gleichen Belastung unterschiedlich beansprucht (Eberspächer, 2007).

Transaktionale Stresstheorie nach Lazarus

Deutlich wird dieser Unterschied auch in dem sehr nah verwandten Stresskonzept um die Arbeitsgruppe von Lazarus. Dieses Modell beschreibt die Entstehung von Stress als Resultat von verschiedenen personeninternen Bewertungsprozessen. Das heißt zunächst, dass ein und das gleiche Ereignis von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Ob eine wahrgenommene Situation als Bedrohung oder Herausforderung interpretiert wird, hängt dabei mit der individuellen Einschätzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen zusammen. Fühlt sich ein Mensch einer Situation gewappnet, wird er sich weit weniger gestresst oder beansprucht erleben als ein Mensch, der völlig unvorbereitet in einer vergleichbaren Situation handeln muss: Ein und dieselbe Belastung führt individuell zu ganz unterschiedlich erlebten Beanspruchungen.

Transaktionale Stresstheorie von Lazarus

Anhand des oben abgebildeten Modells wird zunächst deutlich, dass Stress sich nicht in der Umwelt abzuspielen scheint, sondern ein personeninterner Prozess ist. Psychologischer Stress beruht demnach auf der Einschätzung des betroffenen Individuums, ob die jeweilige Person-Umwelt-Beziehung als herausfordernd, bedrohlich oder schädigend einzustufen ist. Die kognitive Bewertung (appraisal) wird somit zum zentralen Faktor von dem Stressgeschehen. Im Moment der kognitiven Bewertung ist der Stresszustand gegeben (Alfermann/Stoll, 2007).

Diese kognitive Bewertung (cognitive appraisal) wird in zwei Bewertungsprozessen unterschieden, die prinzipiell zeitgleich ablaufen und entscheiden ob die gegebene Situation eine Stressreaktion auslöst: Zuerst wird in einer ersten Bewertung (primary appraisal) die Frage geklärt, ob die Situation eine Bedrohung darstellt. Dies hängt natürlich entscheidend von der zweiten Bewertung (secondary appraisal) ab, bei der nach Ressourcen zur Bewältigung der wahrgenommen Situation gefragt wird. Erst wenn für eine Situation keine entsprechenden Ressourcen zur Bewältigung gesehen werden, wird sie als bedrohlich eingeschätzt.

Für das Stresserleben sind daher nicht objektive Parameter der Umwelt entscheidend, sondern allein die Tatsache, dass die Person selbst die Situation als unkontrollierbar wahrnimmt. Der erlebte Stress hängt somit sehr stark von unserer persönlichen Einschätzung der Situation ab. Die persönliche Bewertung entscheidet darüber, was uns stresst. Wenn wir in einer konkreten Stresssituation das Verhalten unterschiedlicher Menschen erleben, wird oft sehr schnell deutlich: Belastungen werden von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich erlebt und eingeschätzt, rufen unterschiedliche Reaktionen hervor und werden auf die unterschiedlichste Art und Weise bewältigt. Was für den einen Menschen eine Steigerung der Lebensfreude bedeutet, kann für einen anderen als sehr unangenehm und belastend empfunden werden. Schließlich erfolgt eine Neubewertung (reappairsal). Dabei schäzt die Person primär und sekundär ein, entscheidet sich für eine Handlung und verfolgt das Ergebnis, um dies wiederum neu zu bewerten.

Entscheidend ist allein unsere ganz persönliche Bewertung der Situation, das heißt, dass wir die Situation so erleben, wahrnehmen und interpretieren. Und dies ist immer abhängig von zur Verfügung stehenden Bewältigungsressourcen und auch entsprechenden Erfahrungen, vergleichbare Situationen bereits erfolgreich bewältigt zu haben oder auch nicht. Selye sprach in diesem Zusammenhang auch von Eustress versus Distress. Eustress welcher auch als positiver Stress bezeichnet wird, entsteht wenn die Anforderungen in Einklang mit den individuellen Ressourcen gesehen wird. Gefühle der Herausforderung dominieren die Situation. Distress oder negativer Stress dagegen entsteht, wenn die Anforderungen nicht in Einklang mit den zur Verfügung stehenden individuellen Ressourcen stehen. Hieraus resultieren Gefühle der Angst, Verzweiflung oder Panik.

Aus den vorherigen Überlegungen zu physiologischen und psychologischen Aspekten der Stressreaktion ergeben sich erste Schlussfolgerungen für die Wettkampfvorbereitung:

  • Der Sportler muss zur Mobilisierung seiner maximalen Leistungsfähigkeit ein gewisses Niveau an Stress erleben. Dies ist natürlich in Abhängigkeit von den verschiedenen Sportarten unter Umständen sehr differenziert (z.B. Sportschützen im Vergleich zum Boxen). Prinzipiell ist diese akute Stressreaktion als leistungsförderlich einzustufen.
  • Die entsprechenden Körpersignale (beschleunigter Puls, feuchte Hände etc.) sind nicht als Zeichen von Nervosität und Schwäche zu bewerten, sondern willkommene Signale des Körpers, dass für Spitzenleistung erforderliche Mobilisation der Körperfunktionen.
  • Die Mobilisierung der Körperfunktionen ist nur begrenzt lange aufrechtzuerhalten – dann wird aus akutem Stress chronischer Stress, der als gesundheitsgefährdend einzustufen ist. Es handelt sich um eine Fertigkeit, Stress dann zuzulassen, wenn er akut benötigt wird. Durch systematische Phasen der Regeneration bzw. der Pausengestaltung muss eine Chronifizierung der Stressreaktion vermieden werden.
  • Das Stresserleben ist von den Ressourcen anhängig. Damit der akute Stresspositiv und als Herausforderung erlebt werden kann, sind (physische, technische, taktische, mentale und soziale) Ressourcen unbedingte Voraussetzung.

Das Erleben einer Wettkampfsituation als akuter Stress, der positiv (Eustress) und als Herausforderung erlebt wird, kann man auch mit dem Zustand der Kompetenzerwartung in der unmittelbaren Wettkampfsituation vergleichen, welcher als ein erstrebenswerter Zustand sein sollte.

Wie dieser Zustand mit entsprechenden sportpsychologischen Interventionen erreicht werden kann, wird Teil des nächsten Beitrages sein.

Optiemierung der Wettkampfleistung II

Die physiologische Perspektive: Stress – ein (über-) lebensnotwendiges Programm unserer Gene

Als Vater der modernen Stressforschung gilt Hans Selye und er war auch der erste, der die körperliche Stressreaktion systematisch untersuchte. Stress ist kein Spezifikum der modernen Zivilisationsgesellschaft. Er gehört primär zu den Grundbedingungen menschlicher Existenz und ist ein uraltes Programm unserer Gene.

Der Sinn der Stressreaktion ist ursprünglich die Lebenserhaltung durch einen reflexartigen Angriffs- und Fluchtmechanismus. Die Stressreaktion ist folglich ein natürlicher Überlebensmechanismus, der beim Menschen vorprogrammiert ist. In Gefahrensituation ist es dem Organismus möglich, sekundenschnell Energiereserven zu mobilisieren. Innerhalb kürzester Zeit ist der Mensch kampf- oder fluchtbereit. Dieser Vorgang wird als Alarmreaktion des Körpers bezeichnet und läuft automatisch, reflexartig und unbewusst ab.

Biologische Prozesse der Stressreaktion

Die in unserem Körper ablaufenden Stressreaktionen laufen nach einem festgelegten Muster ab. Bei dem Stressvorgang wird ein höchst komplexer dreistufiger Reaktionsmechanismus, bei dem verschiedene Körperfunktionen ähnlich wie bei der Kampf- und Fluchtreaktion ablaufen. Nach Selye (1981) läuft die körperliche Stressreaktion immer nach dem folgendem Schema ab:

Seyles Stresstheorie

Alarmreaktion

Der Organismus weist die für die erste Einwirkung des Stressors charakteristischen Veränderungen auf. Es kommt zu einer Aktivierung des Sympathikus. Dies hat zur Folge dass das Hormon Adrenalin ausgeschüttet wird.

Phase der Resistenz (Widerstandphase)

Das Widerstandsniveau gegen den Stressor steigt deutlich über das Normalniveau an.

Phase der Erschöpfung

Kommt es zu einer Einwirkung des gleichen Stressors, an welchen sich der Organismus bereits angepasst hat, über längere Zeit anhält, erschöpft sich schließlich die Anpassungsenergie.

Die wichtigste Erkenntnis Selyes ist, dass der Organismus auf Stress immer mit der gleichen Art und Weise reagiert. Es kann also sehr unterschiedliche Stressoren geben, aber es gibt nur eine Art und Weise der Stressreaktion. Stress ist demnach eine unspezifische Reaktion des Organismus auf jegliche Anforderung. Unser vegetatives Nervensystem spielt bei dieser körperlichen Stressreaktion eine entscheidende Rolle. Es besteht aus zwei großen Gegenspielern: dem Sympathikus und dem Parasympathikus

Sympathikus

Die Sympathikusaktivierung versetzt den Körper in eine hohe Leistungsbereitschaft und bereitet ihn auf außergewöhnliche Anstregungen vor. Im besonderen Maße bei Agriffs- und Fluchtverhalten. In diesem Zusammenhang wird das Hormon Adrenalin ausgeschüttet, dessen Hauptfunktion in der Anpassung des Herzkreislaufsystems und des Stoffwechsels an stressbedingte Belastungen hat. Physiologische Reaktionen sind u.a. die gesteigerte Herzfrequenz, der Blutdruck steigt, die Muskulatur spannt sich an, die Luftröhre und die Pupillen weiten sich. Zusätzlich bewikrt die Ausschüttung des Adrenalins die Bereitstellung von Zucker und Fetten für den höheren Energiebedarf. Alle Körperfunktionen, die nicht für eine schnelle Reaktion auf diesen Reiz erforderlich sind, werden herunter gefahren. Unter anderem werden die Schmerzwahrnehmung gehemmt und die Verdauung verlangsamt. Neben Adrenalin wird durch die Aktivierung des Sympathikus auch der Neurotransmitter Noradrenalin ausgeschüttet. Ebenfalls wie das Arenalin bewirkt dieser Transmitter die Steigerung des Blutdrucks und steuert die mentale und physische Stressanpassung. Es steigert die Motivation, die Aufmerksamkeit und die geistige Leistungsbereitschaft.

Parasympathikus

Der Gegenspieler des Sympathikus ist der Parasympathikus. Durch ihn werden alle Vorgänge hervorgerufen, die Ruhe, Erholung und Regeneration begünstigen. Der Parasympathikus aktiviert Systeme des Wachstums und der Reproduktion. Seine umgangsprachliche Bezeichnung als „Ruhenerv“ kommt daher, dass er den Stoffwechsel reguliert und dem Aufbau der körpereigenen Reserven dient. Physiologische Anpassungserscheinungen sind u.a. eine Verringerung der Herzfrequenz, eine Sekung des Blutdrucks und eine Entspannung der Muskulatur. Neben dem Adrenalin gibt es noch ein weiteres wichtiges Stress-Hormon, das Cortisol. Neben der Stoffwechselaktivierung zur Energiegewinnung wirkt Cortisol schmerzreduzierund und hemmend auf die Immunabwehr. Im Gegensatz zu Adrenalin, das schnell gebildet und auch wieder abgebaut wird, wird Cortisol auf Vorrat gebildet und zwar vorwiegend in der zweten Nachthälfte und steht morgens maximal bereit. Im Laufe des Tages sinkt dieser Spiegel langsam ab, so dass am Ende des Tages nur noch ca. 10% des Morgenwertes vorhanden ist (Guyton, 2000).

Das Zusammenspiel der Stresshormone Adrenalin und Cortisol sowie dem Neurotransmitter Noradrenalin ist fein aufeinander abgestimmt und gibt ein Gefühl dafür, welche Reaktionen ein Ungleichgewicht in diesem Zusammenspiel auslösen kann. Ein Cortisolüberschuss kann u.U. zu Stoffwechselstörungen führen, wohingegen ein Mangel an Cortisol zu Entzündungen, Antriebsschwäche und Energielosigkeit führt.

In diesem Teil der Reihe „Optimierung der Wettkampfleistung“ wurde ein kleiner Einblick in die physiologische Stressreaktion des Körpers gewährt. In dem folgenden Teil der Beitragsreihe beschäftigen wir uns mit der psychologischen Persektive des Stressgeschehen, um abschließend mögliche Interventionstrategien ableiten zu können, um zum Wettkampf seine „peak performance“ abliefern zu können.

Optimierung der Wettkampfleistung Teil I

„Leistung wenn es darauf ankommt“

Im optimalen Fall sollte der Sportler in der Lage sein zum Wettkampfhöhepunkt, sprich zueinem fest definierten Zeitpunkt, sein Leistungsmaximum abzurufen. Interessanterweise haben jedoch viele Sportler egal ob auf Bezirks- oder Weltniveau gerade damit ein Problem: Insbesonders dann, wenn es darauf ankommt, wenn der sportlicher Erfolg wichtig ist, stören unzweckmäßige Gedanken und Vorstellungen den Bewegungsablauf wie folgendes Beispiel zeigt:

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Beispiel Asafa Powell:

„Nach einer nur vierjährigen Sprinterlaufbahn lief Asafa Powell 2005 seinen ersten 100-Meter-Weltrekord: 9,77 Sekunden. Im darauf folgenden Jahr gelang ihm die gleiche Zeit noch zweimal. Im September 2007 brach er dann mit schier unglaublichen 9,74 Sekunden seinen eigenen Rekord. Damit stellte Powell als erster Athlet überhaupt vier offiziell anerkannte Weltrekorde auf. Als Powells Stärke gilt sein explosionsartiger Start. In der zweiten Hälfte der Kurzdistanz ist seine Sprinttechnik durch eine gute Kombination von langen und schnellen Schritten gekennzeichnet. Für den Film wurden von Powells Sprint Aufnahmen mit HD-Hochgeschwindigkeitskameras und modernsten bioanalytischen MRT- und Ultraschallverfahren aufgezeichnet. Aus diesen Bildern wird deutlich, dass Powell seine explosive Geschwindigkeit seinem außergewöhnlich kräftigen großen Lendendarmbeinmuskel (M. Psoasmajor) und ausgesprochen harten Sehnen an den Beinen verdankt. Ebenfalls in der Psyche des Sprinters sucht der Film nach Erklärungen. Asafa Powells athletischer Körper ist für den Sprint wie geschaffen, doch Goldmedaillen und olympische Ehren blieben dem Sprinter Powell bisher versagt. Die Frage ist, warum gewinnt er keine großen Wettkämpfe? Spezialisten erklären dies damit, dass Powell möglicherweise an muskulärer Koaktivierung leidet, einem oft durch Extremstress verursachten Phänomen: Wenn ein Läufer unter großem psychischen Druck steht und sein Gehirn seinen Muskeln befiehlt, sich immer schneller zu bewegen, kann es durch diese Signale zu einer Störung der natürlichen, rhythmischen Muskelaktivierung kommen.“

Das Beispiel von Asafa Powell zeigt, dass es Spitzensportler mit herausragenden konditionellen und auch konstitutionellen Voraussetzungen gibt, die Schwierigkeiten haben, zum Wettkampfhöhepunkt dieses Potential auch in einer entsprechenden Leistungen abzurufen und umzusetzen.

Erklärt wird dieses Phänomen zum einen damit, dass störende Gedanken, wie Zweifel, mögliches Scheitern etc. die Bewegungsausführung stören. Aber auch ein zu starkes „Wollen“ führt zu kontraproduktiven neuronalen Reaktionen (siehe das Phänomen Koaktivierung), die den eigentlich automatisierten Bewegungsablauf massiv stören können.

Um mit entsprechenden psychologischen Verfahren und Methoden eine optimale Wettkampfvorbereitung zu unterstützen, sollen zunächst kompakt die wesentliche Punkte des psychologischen und physiologischen Stresserlebens in den in Kürze folgenden Beiträgen im Einzelnen dargestellt werden.

Gewinnchancen eines Außenseiters

Anlässlich des Doppeljubiläums – Stadt Siegburg 950 und Siegburger SV 04 110 Jahre – gastiert die Profimannschaft des Bundesligaaufsteigers 1.FC Köln am 4. September gegen die Bezirksligamannschaft aus Siegburg im Walter – Mundorf Stadion. Der folgende Betrag soll aus sportpsychologischer Sicht die Möglichkeiten des Außenseiters beleuchten, sowie aufzeigen wo die möglichen Gefahren für den vermeintlichen sicheren Sieger liegen könnten. Welche Ratschläge und taktischen Anweisungen sollte der Heimcoach Kinan Moukhmalji seinen Spielern mit auf den Weg, um möglicherweise vielleicht doch das Wunder zu schaffen bzw. dieses für viele Spieler einmalige Erlebnis einerseits genießen, andererseits aus sportlicher Sicht erfolgreich zu absolvieren.

In der Vergangenheit gab es schon des Öfteren Beispiele dafür, dass der vermeintliche „Underdog“ den „Großen“ ein Bein gestellt haben. Ein aktuelles Beispiel lieferte gestern die Mannschaft aus Dresden. Diese schaltete in der 1. Runde des DFB-Pokals die Mannschaft von Schalke 04 aus. Dieses Urbild des Sieges eines Außenseiters über einen haushoch überlegenen Gegners stellt die biblische Geschichte David gegen Goliath dar.

Die Israeliten lagen im Krieg mit den Philistern. Beide Heere standen sich seit Wochen in ihren Festungen gegenüber. Jeden Morgen trat Goliath, ein hünenhafter Krieger der Philister, vor den Feind und verhöhnte diesen, weil kein der Israeliten gegen ihn im Zweikampf anzutreten wagte. David, ein junger Schäfer, besuchte seine Brüder, die im Heer der Israeliten dienten, als er die abfälligen Worte des gegnerischen Riesen vernahm. Da trat er vor seinen König und bot sich als Herausforderer des Feindes an. Er sagte, er habe schon einmal einen Löwen von seiner Herde vertrieben, da könne er es auch mit Goliath aufnehmen. Gott werde ihm den Sieg zukommen lassen. Der König stimmte nach kurzem Zögern zu, wollte aber, dass David ein Schwert nehme und eine Rüstung anzöge. David probierte die schwere Rüstung, legte sie aber direkt wieder ab, weil sie ihm ungewohnt war und er sich darin schlecht bewegen konnte. So trat er dem Hünen entgegen. Schnell griff er ein paar geeignete Steine vom Boden, legte einen in seine Steinschleuder, zielte genau und schleuderte, noch bevor er in der Reichweite des Riesen kam, ihm einen Stein an die Stirn. Goliath kippte bewusstlos um. David zögerte nicht, sondern zog dem Riesen das Schwert aus der Scheide und hieb ihm den Kopf ab.

Wenn man diese Geschichte genauer unter die Lupe nimmt und der Frage nachgeht wie es David geschafft hat den schier übermächtigen Gegner zu besiegen, scheinen hierbei sechs Faktoren ausschlaggebend zu sein (Linz, 2014):

1. Mut, Unerschrockenheit

2. Vertrauen auf den Sieg

3. Wissen um die eigene Stärke und Einsatz genau dieser Stärken.

4. Handeln, ohne zu zögern.

5. Überraschungsmoment (was beinhaltet, als Erster zu handeln)

6. Gnadenlosigkeit

Keine Angst vor großen Namen

Zuerst besteht die Aufgabe des Trainers darin, der Mannschaft die mögliche Angst vor dem Kontrahenten zu nehmen. Dabei ist besonders hilfreich auf die möglichen Schwächen und Problemen des Gegners einzugehen. Eine gute Möglichkeit besteht darin, das Team an frühere Spiele zu erinnern, in denen ihr überraschender Erfolg gelungen ist.

Zudem ist es von Vorteil, nicht den Sieg in den Vordergrund zu stellen, sondern Handlungs- und Zwischenziele zu formulieren. So wird der vermeintlich unüberwindbare Aufgabe in kleinere zu bewältigen Sequenzen zerlegt. Dies hat zur Folge, dass mit jedem erreichtem Etappenziel das Selbstvertrauen der Spieler steigt.

Vertrauen in die eigene Stärke

Das Verhalten von David vor dem Kampf ist sehr interessant. David beschäftigt sich nicht mit den möglichen Konsequenzen, über einen möglichen Sieg oder was ihm passieren könnte, für den Fall einer Niederlage. Vielmehr besinnt er sich auf seine Stärken (Kompetenzerwartung), welche ihm Kraft und Handlungsfähigkeit liefert. Sich mir der eigentlichen Handlung zu beschäftigen und nicht mit den möglichen Konsequenzen ist wichtig, denn was die Zukunft bringt kann ich nicht beeinflussen, jedoch die vorgeschalteten Handlungen, welche dazu führen.

Aus eigener Stärke handeln

Aus eigener Stärke handelt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Mannschaft des SSV nicht auf mögliche Fehler der Kölner warten sollte. Dass die Profimannschaft aus Köln gravierende Fehler bsp. im Aufbauspiel machen wird, ist sehr unwahrscheinlich. Besonders hier sollten sich die Siegburger auf ihre Stärke berufen. David probiert eine Rüstung an, legt diese jedoch wieder ab, weil er es nicht gewohnt war mit dieser zu kämpfen. Auch geht er nicht mit dem Schwert in den Kampf, sondern besiegt Goliath mit seiner Steinschleuder, welcher er tagtäglich nutzt. Trainer Moukhmalji sollte seine Mannschaft gemäß ihrer Stärke aufstellen und spielen lassen. Dies muss nicht zwangsläufig etwas Spektakuläres sein. Ein alltägliches Mittel gekonnt eingesetzt, macht jedem Gegner das Leben schwer.

Entschlossenes und überraschendes Handeln

In der Geschichte fackelt der Schäfer David nicht lange. Er tastet sich nicht vorsichtig an und erkundet möglich Stärken und Schwächen Goliaths. Er hat eine einfache Strategie und setzt diese unverzüglich um. Als Außenseiter kann man sich ein anfängliches Abtasten nicht leisten. Der Gegner ist mir überlegen und aus diesem Grund sollte ich nicht in der passiven Rolle verharren. Das Überraschungsmoment lebt davon, dass es sofort umgesetzt wird. Die Spieler des Kölner FC sind nicht auf den Kopf gefallen – sonst würden Sie auch nicht in der Bundesliga spielen – und werden sich schnell formieren können und weitere Bemühungen schnell zunichtemachen, wenn die Siegburger nicht entschlossen handeln.

Auf den „Todesstoß“ vorbereitet sein

Der entscheidende Faktor der weiter oben genannt wurde ist Gnadenlosigkeit (Linz, 2014). Dies hört sich auf den ersten Blick verwunderlich an, jedoch kommt diesen Faktor eine enorme Bedeutung zu. David benügt sich nicht damit, dass er den Riesen mit dem Stein an der Stirn traf, nein, er nahm dessen Schwert und köpfte ihn. Nur so konnte sich David auch sicher sein, dass er den Kampf gewonnen hat. In der Vergangenheit gibt es einige Beispiele, wo der vermeintliche Außenseiter bis kurz vor Schluß auf der Gewinnerstraße war, jedoch dann die Courage vor dem eigenen Erfolg verlor. Ein klassisches Beispiel dafür war das Wimbledonendspiel aus dem Jahr 1993 zwischen Jana Novotna und Steffi Graf. Die Techechin führte im dritten und letzten Satz gegen die bsi dato wenig überzeugende Favoritin bei eigenem Aufschlag mit 4:1. Alles schien gelaufen. Novotna stand ganz dicht vor ihrem ersten Wimblendonsieg. Doch dann begann ihre Nerven an zu flattern und sie gewann kein Spiel mehr und musste letztendlich den Platz als Verlierer verlassen. Sie hatte ganz einfach Angst vor ihrem Erfolg bekommen.

Fazit:

Letztendlich gibt es einige Möglichkeiten für Trainer sein Team auf ein solches Spiel vorzubereiten bzw. einzustellen. Ob es wirklich der Bezirkligatruppe des SSV 04 gelingen wird dem Bundesligisten aus Köln ein „Bein zu stellen“ bleibt abzuwarten. Ich drücke jedoch fest die Daumen und freue mich auf ein spannendes und unterhaltsames Spiel am 04.09.

 

Literatur:

Linz, Lothar: Erfolgreiches Teamcoaching, Meyer&Meyer Verlag, Aachen 2014.